Großbrand auf dem Domplatz

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08.01.2012

 Noch rechtzeitig wird in der Nacht zum Sonntag ein 49-jähriger Bewohner des Hauses Domplatz 46/47 wach. Er bemerkt ein Feuer und rettet so allen 13 Bewohnern des Hauses vermutlich das Leben. Um 2.13 Uhr schrecken die Feuerwehrmänner hoch. Alarm! Ein Mittelbrand am Domplatz. Sie rücken aus – die hauptberufliche Wachbereitschaft, die freiwilligen Feuerwehrleute aus Halberstadt und ein Trupp aus Quedlinburg. Sie rücken mit einem Hubrettungsfahrzeug an, denn die Drehleiter in Halberstadt ist kaputt. Als sie auf dem Domplatz in Halberstadt eintreffen, stehen schon aufgeregte Mieter vor dem Haus, in dessen Dachstuhl es brennt. Sie kommen noch in der Nacht bei Freunden unter.
“Von außen sah es erstmal gar nicht so dramatisch aus”, erinnert sich Einsatzleiter Bodo Fuckert. Doch das Feuer hat sich über den ganzen Spitzboden des Hauses ausgebreitet, frisst sich in die darunterliegenden Wohnungen. “Wir bekamen schlecht Zugang, das Feuer saß in vielen kleinen Nischen. Schließlich gelang der Zugang durch eine schmale Luke, dann hatten wir endlich den Brand unter Kontrolle.”
Zwischendurch, so gibt der erfahrene Feuerwehrmann zu, hatte er Bedenken, ob seine Leute das Feuer rechtzeitig bezwingen können, bevor es nur noch eine Ruine übrig lässt. Das trockene Holz brennt und brennt. Aber es gelingt. Auch, weil Fuckert um 3.05 Uhr nachalarmiert. Jetzt ist das Feuer zum Großbrand hochgestuft, die Gefahr ist groß, auch für die angrenzenden Fachwerkhäuser. Aus Blankenburg rückt ein Trupp mit einer weiteren Drehleiter an, zusätzlich kommen Kameraden aus den Ortswehren Langenstein, Klein Quenstedt und Emersleben auf dem Domplatz zum Einsatz. 54 Kameraden sind es schließlich, die das Feuer in dem 1580 erbauten Pfarrhaus der Liebfrauengemeinde bändigen. Dazu kommen Polizei und Sanitäter. Vier Mieter werden mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus gebracht, sie waren auch gestern Nachmittag noch dort. Zwei Feuerwehrleute erleiden bei den Löscharbeiten einen Stromschlag, auch sie müssen leicht verletzt zur Untersuchung ins Krankenhaus.
Die Löscharbeiten dauern bis in den Morgen, die Versorgungsgruppe wird informiert. Die Frauen und Männer aus den Wehren in Halberstadt, Sargstedt und Quenstedt kommen, reichen den durchnässten Männern Tee, Brötchen, Bockwurst. Kurz vor halb sechs können die meisten Einsatzkräfte abrücken. Nur Brandwachen sind jetzt noch im Einsatz.
“Um 8 Uhr war der Einsatz offiziell beendet”, berichtet Bodo Fuckert. Nachdem Polizei und Feuerwehr alles gemeinsam mit Wärmebildkameras überprüft haben, steht fest: Keine Glutnester mehr. Die Polizei versiegelt alle Türen, sperrt den Fußweg vor dem Haus ab. Heute werden sich Fachleute auf Spurensuche begeben, um die Brandursache zu ermitteln.

Quelle: Volksstimme

Feuer am Domplatz: Das Dachgeschoss des Pfarrhauses der Liebfrauenkirche stand Sonntagnacht in Flammen. Foto: Volksstimme

Brandopfer vom Domplatz sagen: “Dankeschön!”

Die ersten Tage danach sind überstanden, der Alltag normalisiert sich. Zeit, zum Luftholen für die Brandopfer vom Domplatz. Mit einem Dankeschön wenden sie sich jetzt an die Halberstädter.

Das Pfarrhaus der Liebfrauengemeinde trägt noch die Spuren des großen Brandes, der Anfang Januar in seinem Dachgeschoss tobte. Die 13 Bewohner sind in anderen Wohnungen untergekommen, froh, gesund zu sein. “Fast auf den Tag genau vor einem Monat ereilte uns der Schicksalsschlag”, sagt Ingo Wasikowski und blickt auf das große graue Fachwerkhaus, in dem er bis zum 8. Januar wohnte. “Uns hatte das Feuer im Schlaf überrascht, zum Glück sind wir rechtzeitig rausgekommen”, berichtet der Halberstädter, der durch seine Arbeit am Theater vielen Bürgern der Region bekannt ist. Die Wohnung ist komplett unbewohnbar – was nicht ein Raub der Flammen wurde ist durch das Löschwasser unbrauchbar.
Man sagt, die Zeit heile alle Wunden, den Wasikowskis ist anzumerken, dass das noch nicht der Fall ist. “Und doch möchten wir auf diesem Wege unsere unendlich große Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Erst jetzt sind wir halbwegs in der Lage, öffentlich darüber zu sprechen. Aber es muss sein”, sagt der Familienvater. Ihm ist anzumerken, wie wichtig es ihm ist, denn “noch in der derselben Nacht überflutete uns eine Welle der Hilfsbereitschaft, die ihresgleichen sucht. Angefangen bei der Feuerwehr, über den Krankenstransport und die Aufnahme im Ameos-Krankenhaus”, sagt der Sänger, der seit Wochen mit Frau Amrei und den Söhnen Johannes und Felix in der Gästewohnung lebt, die die Stadt zur Verfügung stellt. “Danke!”, sagt er, sichtlich bewegt.
Die Erinnerungen sind frisch, auch daran, dass fast die gesamte Domplatznachbarschaft noch am Sonntag ins Krankenhaus kam, um die Familie mit den nötigsten Sachen auszustatten. “Wir hatten ja nichts bis auf unsere Schlafanzüge, die wir auf dem Leib trugen”, erzählt Wasikowski.
Am 8. Januar waren über 70 Retter am Domplatz im Einsatz. 54 Feuerwehrleute aus Halberstadt, Quedlinburg, Blankenburg, Langenstein, Klein Quenstedt und Emersleben bekamen nach langem bangen endlich das Feuer im Dach des Fachwerkhauses Domplatz 46/47 unter Kontrolle, konnten es löschen. Die Schreckensbilder tauchen wieder vor dem geistigen Auge auf, als Ingo Wasikowski weiterspricht.
Oft wurde ihm gesagt, er müsse sich doch nicht bedanken, “aber gerade dafür muss man danken”, sagt er. “In einer Zeit der Inflation, Arbeitslosigkeit und Existenzangst stellen uns wildfremde Menschen Sachen vor die Tür, legen Kuverts mit kleinen und großen Spenden in den Briefkasten. Ich kann nicht alles aufzählen, aber vielleicht sollte ich das auch nicht. Und doch – es bleibt so viel Dankbarkeit zurück”.
Erstaunt und tief berührt stellt er fest, dass in den über 20 Jahren nach der Wende die Halberstädter sich eine Eigenschaft nicht haben kaputt machen lassen – uneigennützig zu helfen, ohne etwas dafür zu erwarten. “Wir können und wollen uns auf der Bühne dafür bedanken. Wie wir hier sehen, ist nicht nur das Halberstädter Theater unverzichtbar, sondern auch die ureigensten Eigenschaften, die uns so menschlich machen. Danke Halberstadt und allen Freunden!”

Quelle: Volksstimme

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