Einsatzübung Kulturgutschutz “Großbrand im Gleimhaus”

Archiv

29.10.2007

Als am Montagabend in Minutenabständen Fahrzeuge der Feuerwehr mit Blaulicht und Sondersignal durch das Stadtzentrum brausten, wußten nur Eingeweihte, daß es sich bei diesem Großeinsatz um eine Übung handelt. 60 Feuerwehrleute und zehn Einsatzfahrzeuge aus Halberstadt und den Ortsteilen probten für den Ernstfall. Angenommen wurde ein Großbrand im Gleimhaus.
Um 18 Uhr hatte die Brandmeldeanlage im Literaturmuseurn den Alarm ausgelöst. Das Szenario: Ein Defekt in der elektrischen Anlage hatte zu einem Feuer geführt, das bei den Büchern Nahrung fand. Durch den Einsatz von Löschwasser wurde zwar der Brand schnell unter Kontrolle gebracht, doch Bücher wie Gemälde beschädigt. Schnelles Handeln war von Nöten, um größeren Schaden abzuwenden.
Immerhin gilt das Gleimhaus heute als Literaturmuseum und Forschungsstätte neben der Stiftung Weimarer Klassik, dem Freien Deutschen Hochstift – Frankfurter Goethe-Museum, der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel und den Francke’schen Stiftungen Halle als ein wichtiges archivarisches Zentrum der deutschen Aufklärung. Es besitzt den geschlossensten Dichternachlaß des 18. Jahrhunderts am historischen Ort und ist gleichzeitig – von Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803) begründet – das erste deutsche Literaturarchiv. Die Besonderheit des Hauses besteht weiterhin in der Einzigartigkeit des Sammlungszusammenhangs von Büchern, Briefen und Bildern. Der größte Teil der Gleimschen Sammlungen konnte während des zweiten Weltkriegs vor der Vernichtung gerettet werden.
Den Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek noch in Erinnerung wußten alle Beteiligten, eine Vernichtung der wertvollen Kulturschätze durch Feuer wäre nicht nur für das Gleimhaus und die Stadt Halberstadt ein unvorstellbarer und unersetzlicher kultureller Verlust.
Wie für andere wichtige Gebäude und Einrichtungen in der Stadt existiert für das Gleimhaus ein Notfallplan, der gemeinsam mit der Feuerwehr ausgearbeitet wurde. Darin enthalten auch ein Alarmierungsplan für den Notfall. Nach einer knappen halben Stunde waren die Mitarbeiter des Hauses und anderer Kultureinrichtungen vor Ort. Dr. Ute Pott, Direktorin des Gleimhauses und zwei Mitarbeiter unternahmen mit dem Einsatzleiter der Feuerwehr eine Begehung, um den Schaden einzuschätzen und die weitere Vorgehensweise festzulegen. Wichtig war, daß alle Kräfte an dem Abend koordiniert und effektiv arbeiten.
Zwischenzeitlich war auf der Rasenfläche am Domhang ein Zelt errichtet worden. Dorthin brachten die Einsatzkräfte die geborgenen Bücher. Nach einer Begutachtung wurden sie nach Beschädigungsgrad sortiert, fachgerecht in Folie gewickelt und dann in Spezialbehältnisse verpackt.
In einem Ernstfall hätten die brand- und wassergeschädigte Bücher nach Leipzig gebracht werden müssen. Dort können sie durch ein Schockgefriersystem gerettet werden, war von den Experten zu erfahren.
Und während im Zelt die Bücher behandelt wurden, holten die Feuerwehrleute unter Zuhilfenahme einer Drehleiter die “beschädigten” Gemälde aus dem ersten Stock des Hauses. Zum Glück handelte es sich bei dem Großeinsatz nur um eine Übung. Doch solche sind notwendig, um im Ernstfall schnelle und richtige Entscheidungen zu treffen, alle Einsatzkräfte effektiv einzusetzen, ein Hand-in Hand-Arbeiten zu ermöglichen und Fehler auszuschließen. 


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  • Die Feuerwehr am Gleimhaus. Wichtiges Hilfsmittel - die Drehleiter.brFoto: Volksstimme
  • Im Zelt werden die beschädigten (Übungs)Bücher begutachtetbrFoto: Volksstimme
  • Nächtlicher Einsatz zur Rettung der Bücher und Gemälde aus dem GleimhausbrFoto: Volksstimme
  • Aus dem Obergeschoss des Gleimhauses wurden die Gemälde über eine Drehleiter ins Freie gebracht.brFoto: Generalanzeiger
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